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Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
Entstehung
Seite
72
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entschieden anerkannt worden. Wir wollen uns kein absprechendesUrtheil über jene Vorgänge erlauben, bis die Thatsachen vollständigaufgeklärt sind; den Anschein aber hat eS allerdings, als wenn dieMehrzahl der Grubenbesitzer eS an der nöthigen Voraussicht, demkommenden Sturm vorzubeugen, habe fehlen lassen, so daß nun indem allgemeinen Unglück auch viele derjenigen mit leiden mußten,welche durch freiwillige und zur rechteu Zeit gemachte Zugeständnisseein besseres Verständniß der drohenden Sachlage bekundet hatten.

Wie es unter solchen Verhältnissen kommen mußte, so ist esgekommen: das Heft entfiel den Händen der gemäßigten Leiter derBewegung und ging in die leidenschaftlich bewegten Massen über.Hatten aber die Grubenbesitzer wirklich durch Versäumnis; zeitigenEinlenkens, durch Mangel au Voraussicht zuerst gefehlt, so über-trumpfte» uun die Arbeiter diesen Fehler vielfach, indem sie, ohneden Schatten einer Rechtfertigung, die gesetzliche Kündigungsfristmißachteten und mit einer allgemeinen Arbeitseinstellnug, also Kriegs-erklärung, begannen, welche doch höchstens als letztes Ausknnfts-inittel, wenn alle gütlichen EinigungSverfuche fehlschlugen, zu ent-schuldigen gewesen wäre. Niemals aber hätte es dazu zu kommenbrauchen; denn der gute Wille, billigen Wünschen der Arbeiter ent-gegen zu kommen, ist unbedingt bei der großen Mehrzahl der west-fälischen Grubenbesitzer vorhanden, und waS etwa bei friedlichenVerhandlungen von den aufgestellten Forderungen der Bergleute un-erfüllt geblieben wäre, hätte es wahrhaftig nicht gerechtfertigt, einsolches Unglück über blühende LandeStheilc heraufzubeschwören, wiees, von dem materiellen Schaden beider Theile ganz abgesehen, ein-getreten ist. Legte sich auch der größere Theil der Bergleute schonaus Klugheit die Verpflichtung auf, die äußere Ruhe zu bewahren,so übernähme:: doch die leidenschaftlichen Elemente während des Aus-standet' täglich mehr die Führuug; halbwüchsige Lümmel traten sogarden Organen der Staatsgewalt gegenüber uud Blut ist geflossen.

Der gegenwärtige Streik enthüllt uns das traurige Faktum,daß seit dem großen Kohlenstreik im Anfang der siebziger Jahre dersoziale Friede in Westfalen noch gar keine, oder doch kaum nennens-werthe Fortschritte gemacht hat. DieS tritt um so auffallender hervor,als hier die höchsten Löhne in Deutschland gezahlt werden und über-