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auch mit großem Gleichinuth betrachten. Auch daS deu Svzialisteuvom Pariser Gemeinderath gegebene Banqnett bedeutet nichts für diesteigende Bedeutung vder Anerkennung der Sozialdemokratie, sondernist unr ein Symptom des Niedergangs und der Zerrüttung der fran-zösischen Zustände. Ebensowenig hebt die reichlich verschwendeteSclbstberänchernng das Ansehen einer Versammlung über ihre wirk-liche Bedeutung hinaus, und ivcuu der Präsident Liebknecht denKongreß „eines der wichtigsten Ereignisse des Jahrhunderts" nannte, ^so erinnert dieS unwillkürlich an eine Stelle in der Zaubcrflötc, worinSarastro die Aufnahme Tamino's ebenfalls als „eines der wichtigstenEreignisse des Jahrhunderts" bezeichnet. Unser Jahrhundert hat soungeheure Welt- nnd kulturgeschichtliche Ereignisse vorübergehen sehen,daß im Vergleich zu ihnen der Unterschied zwischen Liebknecht's undSarastro'S „wichtigstein Ereignis; des Jahrhunderts" in der Thatnicht allzugroß erscheint.
Von diesen, halb dem Ernst, halb der Satyre anheimfallendenBetrachtungen wollen wir uns nun jenem Theil der Kongreßarbeitenzuwenden, den die Führer selbst als eiuen untergeordneten, nur ausGewiuuuug eiuer größeren Zahl von Anhängern berechneten betrachtethaben mögeu, der aber iu unseren Augen weit größere Bedeutunghat, ja unS sast mit dem Kongreß versöhnen könnte. Es betrifft diesdie oben abgedruckten Beschlüsse hinsichtlich der A r b e i t c r s ch u tz-gesetzgebuu g. ES ist zunächst symptomatisch, daß dieser Kongreßeinmal die Verleugnung des Anarchismus (seine Vertreter wurdenvor die Thüre gesetzt) uud sodann die Nothwendigkeit laudeSgesetzlicherund internationaler Erweiterungen des Arbeiterschutzes stärker betouteund mehr im Einzelnen ausführte, als irgend eine frühere Ver-sammlung dieser Art. Wir betrachten Beides als erfreuliche Zeicheneiuer Wandlung, weuu auch uicht iu den letzten Zielen, so doch inder Methodik der Sozialdemokraten. Sie zeigt uns, daß jene Ver- ^bisseuheit etwas gewichen ist, welche den AuSbruch eiuer sozialenRevolution nahe glaubte und deßhalb die Intensität des HasseS derArbeiter gegeu Staat, Gesellschaftsordnung und Arbeitgeber nichtdurch stückweise Verbesserungen ihrer Lage abgeschwächt sehen wollte.Wir srenen unS der jetzt bekundeten besseren Einsicht, die wohl auchdurch die Beobachtung gefördert worden ist, daß die Arbeiter all-