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Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
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dieser Beziehung gingen die Arbeitgeber, in deren Reihen Perstandund kühleS Urtheil häufiger als bei den Arbeitern zu finde» waren.Nachdem die erste gewaltthätige Generation von Arbeitgebern ab-gestorben war, wurden ihre Söhne von jener Bewegung ergriffen,welche im Laufe des Jahrhunderts die besitzenden und gebildetenKlassen Englands zum Bewußtsein ihrer Pflichten gegen die unterenerweckte. Zunächst versuchten sie mit WohlfahrtS einrichtungenzu Gunsten der Arbeiter das alte feudale Abhängigkeits-und Vertrauensverhältniß wiederherzustellen; überallaber brachen solche Versuche zusammen. Wie ist es auch mög-lich, daß daS Verhältniß zwischen Zweien, deren wirthschaftliche In-teressen entgegengesetzt sind, durchWohlwollen" geleitet werde? wiewäre es etwa, wenn der Spinner seinem amerikanischen Baumwollen-lieferanten gegenüber dasWohlwollen" zu Rathe zöge, anstatt nüch-terner Berechnungen? Kann er es dem Lieferanten eines anderennothwendigen ProduktionömittelS, der Arbeit, gegenüber anders thun?Im Laufe der Entwicklung kam vielmehr der Arbeitgeber zur Ein-sicht, daß er als Arbeitgeber nur Eines für seinen Arbeiter thunkönne, unbeschadet seiner weiteren und höheren Pflichten als Mensch,als Bürger und als Christ gegenüber der Gesellschaft. Dieses Eine,scheinbar so leicht und doch für den, der anders zu denkengewöhnt ist, so schwer, zugleich für den Arbeiter das Aller-wichtigste, besteht darin, ihn rückhaltslos als gleichberech-tigte Macht anzuerkennen und daS Verhältniß zwischen sichund ihm als ein rein wirthschastliches aufzufassen, in dembeide Theile in gleicher Weise loyal handeln, wenn sie mitallen gesetzlichen Mitteln ihren eigenen Vortheil verfolgen.Ein Arbeitgeber, welcher auf diesem Standpunkt steht, wird die Ver-bindungen der Arbeiter anerkeuneu und ihre Lohnforderungen undAusstünde uicht anders behandeln, als er Preissteigerungen deS Baum-wollenlieferanten entgegentreten würde. Ebenso wie er mit diesemkorrespondirt, wird er mit dem Arbeitsverkäufer verhandeln, und höflicheFormen werden seinen Verkehr mit diesem wie mit jenem beherrschen.Andererseits aber griff nun auch unter den Gewerkvereinen die EinsichtPlatz, daß es nicht Blutsaugerei nnd feindlicher Wille, sondern vielmehrwirthschaftliche Nothwendigkeit sei, welche die Arbeitgeber zu ihren

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