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Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
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versuche werden oft monatelang fortgesetzt, bis die Einigung erreichtist, inzwischen aber ruhig weiter gearbeitet.

Die Beziehungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben sichdurch die fortwährenden Berühruugen, welche diese Verhandlungen imGefolge haben, allmählig so gebessert, daß die Streiks zu den großenSeltenheiten gehören und hauptsachlich mir noch bei den Arbeiter-klassen stattfinden, welche sich außerhalb des Rahmens jener Organi-sationen befinden. Allein auch für diese werden die Verhandlungendervereinigten KomiteS" und der Inhalt der Schiedssprüche immermehr für beide Theile maßgebend. Außer allem Zweifel stehtjedenfalls, daß in dem größten Industriestaat der Welt,wo die Konflikte sich am stärksten geschärft hatten, derNebergang aus feindlichen in friedlicheVerhültnisse bereitsin großem Umfange gelungen ist. Die Sozialdemokratie hatin England nicht znr Revolution, nicht zum ChaoS hinabgeführt,sondern die soziale Frage hat sich als praktisch lösbar gezeigt. DasVollkommene ist noch nicht erreicht, alleinauf dem richtigen Wegsein, ist Alles."

Diese Betrachtungen haben für uns in Deutschland etwas uu-geinein tröstliches und zugleich lehrreiches.*) Wie schon Eingangsangedeutet, ist allerdings nicht anzunehmen, daß der Entwicklungs-gang zum Ziel des sozialen Friedens in Deutschland den gleichenWeg gehen wird und daß sich die englischen Organisationen ohneWeiteres inS Deutsche übertragen lassen. WaS zunächst die subjek-tiven Grundlagen betrifft, so liegen sie bei uus wesentlich verschieden.Die Sozialdemokratic, mit ihren geheimen Verbindungen und demNetz von Fachvereinen, welches sie über Deutschland ausgespannt hat,wird bei uns vielleicht schwieriger zu unterminiren, zu besiegen sein,als in England, insbesondere da im deutschen Arbeiter ein weit

*) Mit besonderer Spannung sehen wir in dieser Beziehung auchdein Erscheinen des zweiten Bandes von v>. I. M. Bärnreither's ver-dienstvollem WerkDie englische» Arbeiterverbände nnd ihr Recht" ent-gegen. Die Einleitungen zum I. Band lassen bereits voraussetzen, daßDr. Bärureither und Or. Schnlze-Gävernitz im Wesentlichen zu gleichenAnschauungen gelangt sind, und zwar nicht im Wege der spekulativenKritik, sondern gewissenhafter nnd scharfsinniger Beobachtung der That-sachen .