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Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
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unverhältnißmäßig niedrig gelohnt werden) durchschnittlich kaum halbso hoch wie heute, und die Unternehmer finden auch heute uoch beidiesen doppelten Lohnen ihre Rechnung. Der gesammte heutigeUnternehmergewinn Deutschlands , sogar einschließlich der Zinsen desaufgewandten Kapitals, beträgt nur eiueu verhältnißinäßig kleineuTheil der Milliarden, welche heute mehr an Arbeitslöhnen jährlichverausgabt werden, als vor etwa 40 Jahren. Es ist also eine faktischeUnmöglichkeit, daß der gestiegene Arbeitslohn durch Schmäleruugdes Unternehmergewinns erkauft worden sein könnte, da erstere Zahldie Letztere mehrfach aufwiegt. Und weuu auch der Unternehmer-gewinn im Verhältniß zum aufgewandten Kapital durchschnittlichheute etwas geringer als früher sein mag, so liegt dies an demniedrigeren Zinsfuß, an der durch Fortschritte im Maschinenwesen ge-steigerten ProduktionSsähigkeit und der jdurch Eisenbahnen, Dampf-schiffe und Telegraphen gesteigerten Konkurrenz, nicht an demgestiegenen Arbeitslohn. Nirgendwo wird aber der Arbeiter einMoment ausfinden können, weshalb das in der Vergangenheit, wennauch oft ungleichmäßig und sprungweise stattgehabte Steigen derLöhne, für die Zukunft abgeschlossen wäre. Ja es läßt sich leichtbeweisen, daß diese Aufwärtsbewegung der Löhne, mit oder ohneWillen des Arbeitgebers, mit oder ohne Hinzutreten humanitärerBestrebungen, fortschreiten wird, ja muß. Diesen Beweis lieferteinmal die Erfahrung, indem in England und Amerika die Löhnedoppelt, dreifach höher sind als bei uns, ohne das Fortschreiten gewinn-bringender Unternehmungen irgendwie zu hindern, zum andern aberdie stetig steigende Ansammlung von Kapital und der stetigsinkende Zinsfuß, wodurch die Nachfrage nach Arbeitern,um das Kapital fruchtbar oder doch fruchtbarer zu macheu,und mit dieser Nachfrage nach Arbeitern auch deren Lohnstetig steigen muß. Selbstverständlich, uud dies beweist auch eiuBlick in die Vergangenheit, erhöht sich allerdings die Kauskraft desLohnes nicht in gleichem Verhältniß mit der absoluten Lohnerhöhung,indem von anderen Einflüssen hier abgesehen mit jdem Lohn-niveau auch viele Waareupreise gestiegen sind, der Arbeiter also vonden Vortheilen der Lohnsteigerung soviel wieder abgeben muß, alser seine Bedürfnisse in Folge dessen theurer zu bezahlen hat.

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