Druckschrift 
Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
Entstehung
Seite
54
Einzelbild herunterladen
 
  

liche Lage, also die materiellen Interessen des Arbeitgebers. Esliegt auf der Hand, daß man eine solche Frage über Zulässigkeitoder Nichtzulässigkeit eines gesetzgeberischen Eingriffs in dieses bis-her der privativeu Regelung überlassene Gebiet, nicht ohne Weiteresprinzipiell entscheiden kann, sondern daß es auf den Inhalt des znerlassenden Gesetzes ankommt. Sehen wir uns dabei in denjenigenStaaten um, welche der gesetzgeberischen Regeluug der Arbeitszeiterwachsener Arbeiter, also dem Normalarbeitstag, bereits näher ge-treten sind, so können wir zwar konstatiren, daß diese Maßregel sichohne Beeinträchtigung unabweislichcr Interessen des Gewerbelebcnseingebürgert hat und täglich mehr einbürgert, jedoch vielfach uutcrFormen und Bedingungen, die nichts weniger als nachahmuugs-werth erscheinen, ja theilweise die Absichten des Gesetzgebers illuso-risch machen.

Was zunächst Frankreich betrifft, so liegt der bereits seit1848 bestehende Normalarbeitstag von 12 Stunden so weit über derGrenze der zur Zeit allgemein eingeführten Arbeitszeit, daß er dieBedeutung einer Einschränkung längst verloren hat. Seit drei Jahrennehmen die gesetzgeberischen Gewalten von Zeit zu Zeit Anläufe,eine Herabsetzung auf 11 Stunden festzustellen, bisher jedoch ohneErfolg. Mit der Humanität der französischen Arbeitgeber und Ab-geordneten ist es überhaupt nicht weit her.

In den Vereinigten Staaten steht der gesetzliche 8stündigeNormalarbcitstag nur auf dem Papier, da er bloß für Regieruugs-werkstätteu gilt und auch hier mir, soweit keine freiwillige Vereinbarungüber die Arbeitszeit stattgefunden hat.

In England existirt der Normalarbeitstag von 10 Stunden,soweit Erwachsene in Frage kommen, uur für die Arbeiterinnen;indirekt hat diese gesetzliche Maßregel, verbunden mit den Anforde-rungen der mächtigen Gewerkvereine, allerdings zn einer thatsäch-lichen Verkürzung der Arbeitszeit auf durchschnittlich 10 Stunden fürfast alle Berufszweige geführt. Wird in England der 10stündigeNormalarbeitstag allgemein gesetzlich proklamirt, so dürfte dies that-sächlich kaum als Beschränkuug empfuudeu werden.

Belgien hat keine Bestimmungen über die Arbeitsdauer er-wachsener Personen, wie es denn überhaupt iu allen Fragen der Ar-