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Soziale Tagesfragen / von Wilhelm Oechelhaeuser
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beiterschutzgesetzgebung von sämmtlichen Kulturstaaten am weitestenzurückgeblieben ist. Daher auch die dortigen fortwährenden Unruhenund Ausstände.

Es sind hiernach nur die seit 12 Jahren in der Schweiz undseit 4 Jahren in Oesterreich erlassenen Gesetze über einen llstün-digen Normalarbeitstag in Betracht zu nehmen. Was letzteren Staatbetrifft, so hat das Gesetz an den bestehenden Verhältnissen weniggeändert, da es überall durch Ausnahmebestimmungen nnd Bewilli-gungen, die in die Hände der Polizei, der Gewerbe- und Landes-behörden gelegt sind, durchbrochen wird. Lehrreich für unS sind imWesentlichen nur die Erfahrungen der Schweiz , welche in diesemgewerbereichen nnd dabei durch die internationale Konkurrenz unddie in fast allen Absatzländern im letzten Jahrzehnt eingeführten Zoll-erhöhuugen sehr scharf bedrängten Lande, die Durchführbarkeit dieserhnmauitären Maßregel ganz zweifellos dargethan haben. ES bedürfteallerdings langer Jahre und eines fcharfen Kampfes mit vielen Ar-beitgebern, ehe man diese gesetzgeberische Maßregel als allgemein ein-geführt und zu praktischer Wirksamkeit gelangt betrachten konnte;auch wurde das Gesetz in den ersten Jahren sehr lax gehaudhabt.Die Ueberschreitungen bildeten die Regel; auch machten die Behördenvon dem Rechte der Bewilligung von Ueberstnnden einen viel, zuweit gehenden, mit dem Geiste des Gesetzes unvereinbareu Gebrauch.Von Jahr zu Jahr hat sich dasselbe jedoch tiefer iu das Gewerhs-leben eingebürgert und wird immer schärfer gehandhabt. Anch be-freunden sich die Arbeitgeber immer mehr mit der für Alle gleich-müßig gültigen Abkürzung der Arbeitszeit, wenn auch einer derGründe fiir diese günstigere Anschauung in der ihnen unter dengerade obwaltenden Verhältnissen als zweckmäßig erscheinenden Be-schränkung der Ueberproduktion gefunden werden mag. Die Berichteder Fabrikinspektoren lauten entschieden immer günstiger für dasGesetz und die steigende Neigung der Arbeitgeber, sich seinen be-schränkenden Bestimmungen ohne Widerstand zu fügen. Anfangssahen sie blos die Schattenseiten des Gesetzes und empfanden dasselbeals Zwang; jetzt finden seine guten Seiten immer mehr Anerkennungund der aufäuglich unterstellte Konflikt der Menschlichkeitsrücksichten